Hayseed Dixie – Hall of Rockgrass

Datum: Mittwoch 28.2.2018
Location: München, Backstage Halle
Support: Shots

Mit der unnachahmlichen Mischung aus Rockhymnen und Bluegrass haben sich Hayseed Dixie nicht nur in der Neuen Welt in den letzten 18 Jahren eine mehr als solide Fanbasis erspielt. Jahr für Jahr sind die Jungs aus Tennessee auch für ihre Fans in Europa unterwegs. Ende Februar war es wieder soweit, das Backstage hatte gerufen und sie waren natürlich gekommen. Diesmal war die Nachfrage sogar so groß, dass es für den Club zu eng wurde und die Halle als Spielort gewählt wurde.

 

Auch ein Novum: Es gab eine Vorband. Die Shots aus Poing im Münchner Osten. Musikalisch in die Schublade Deutscher Chanson, Acoustic-Pop oder Singer-Songwriter zu stecken, war diese Wahl eher als ungünstig zu bewerten. Hayseed Dixie machen zwar ein solch eigenes Ding, dass es wahrscheinlich schwierig ist, einen passenden Support zu finden, aber irgendwas in Richtung Country oder andere Hillbilly-Mukke wäre doch machbar gewesen. Naja, kann man nichts machen. Die Shots machten das Beste daraus. Präsentierten sie doch gute zehn Songs aus eigener Herstellung. Ohne Schlagzeug nur mit Keyboard und Gitarre bewaffnet, schafften es die zwei Jungs mit pfiffigen Texten das eine oder andere Schmunzeln auf die Gesichter der Gäste zu zaubern. Die gesamte Bühnenperformance war sicherlich noch ausbaufähig. Mein einziger echter Kritikpunkt war der letzte Song, welcher die doch recht positive Stimmung wieder zerlegte. Ansonsten hatten die Jungs aus der Situation das Maximum rausgeholt was unter diesen Umständen möglich war.

Nach diesem kurzen Intermezzo war es endlich Zeit für Bluegrass! Hayseed Dixie machen wirklich wenig Aufsehen um ihre Personen, es gibt keine Starallüren. Auf die Bühne, Instrumente ausgepackt, eingestöpselt und los geht’s! Es ist jedes Mal ein Fest, die vier Jungs zu sehen. Nur mit akustischen Instrumenten einen so groovigen Sound zu produzieren, sodass es auch deine Oma aus den Socken hauen würde, fordert einfach einen massiven Respekt. Zwischen den Songs zeigt Mastermind John Wheeler aka Barley Scotch, dass er wahrlich ein exzellentes Deutsch spricht. Ein kleiner Ratespaß um die beste deutsche Formulierung eines beliebigen Themas mit Bassisten Jake „Bakesnake“ Byers ist ein witziger Teil der Show. Auch die aktuelle präsidiale Situation wird mit einem für Amerikaner unüblichen Stilmittel in Szene gesetzt: Sarkasmus. Barley erklärt, dass es nicht „A‘merica“ sondern „The’merica“ heißt und bittet das Publikum um Mithilfe um als Antwort auf das Stichwort „The’merica“ leise „Fuck’ya“ zu hauchen. Das klappt im ersten Anlauf eher leidlich, wird aber im Laufe des Abends weiter gefestigt. Das Hayseed Dixie dieses Jahr nach Deutschen Begriffen volljährig wird ist auch Anlass für bissige Kommentare. In „The’merica“ kannst du dir mit 18 eine Knarre kaufen aber in einer Bar nicht mal ein verschissenes Bier. Ohne die letzten Amokläufe im Hinterkopf könnte man darüber lachen, wenn es nicht real und nicht so verdammt traurig wäre.

 

Aber Hayseed Dixie lassen keinen Schwermut aufkommen. Zwischen den Ansagen und Späßen wird das geliefert, wofür die Jungs bekannt sind: Feinstes Rockgrass. Einmal querfeldein durch den Gemischtwarenladen der Pop und Rockmusik. Viel Neues war nicht dabei, aber das ist auch nicht Vonnöten. Die Stimmung war, wie zu erwarten, einfach klasse. Der Sound ging ins Bein, wer nicht tanzen kann oder will, schunkelt oder hüpft halt einfach so mit. Bassist Jake und Mandolinen Spieler „Hippy“ Joe Hymas bespaßten ebenfalls fleißig mit Grimassen das Volk. Hayseed Dixie sind musikalisch wie menschlich immer ein Hochgenuß. Nach der Zugabe geht es nicht ins zurück ins Backstage, es wird von der Bühne ins Publikum gestiegen. Am Merchandise konnte mit den Jungs dann auf Tuchfühlung gegangen werden, dabei ist sicherlich auch das ein oder andere Schwarzbier zuviel gekillt worden. Hayseed Dixie gehören für mich auf jeden Fall zu den Livebands die man unbedingt gesehen haben muss. Seid also mit dabei, wenn sie vielleicht schon nächstes Jahr wieder über den großen Teich kommen. In diesem Sinne: Let there be Rockgrass!

(Text+Bilder: Björn Engelke)


Pothead – The Understatement of Rock

Datum: Samstag 24.2.2018
Location: München, Backstage Halle
Support: ---

Samstagabend, 24.2.2108: Eine Kältewelle hat Deutschland fest im Griff, bis zu -20°C werden angesagt. Da will man eigentlich echt nicht vor die Tür gehen. Wenn sich die drei Wahlberliner von Pothead ankündigen, hat man keine andere Wahl. Also doch raus aus dem Haus und zum Backstage gepilgert…

 

Pothead sind für mich ja so etwas wie DAS personifizierte Understatement von Rock. Keine Eskapaden, keine Skandale, zumindest nicht in der Art als dass sie in der Musikpresse Erwähnung finden würden. Dieser Eindruck wird auch keineswegs enttäuscht. Sammeln sich sofort nach Einlass viele Fans in der Halle. Der Altersdurchschnitt ist sehr deutlich über 30, es wirkt fast so, als ob viele Kerle ihre alte Gang wieder reaktiviert hätten. Fast schon ein Familientreffen. Nichts desto trotz ist auch Jungvolk anwesend. Das zeigt, dass Pothead auch bei der jüngeren Generation angekommen ist.

 

Understatement ist auch in Bezug auf die Klamottenkiste zu verstehen. Betreten die drei die Bühne doch in silbernen Anzügen, weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Pothead eröffnen mit „Northern Lights“, der Seattle Sound schiebt massiv durch die Halle, „Desiccated Soup“ folgt im Anschluss. Jeff Dope am Bass verzieht keine Miene, beinahe stoisch spielt er sein Instrument. An kleinen Bewegungen im Mundwinkel sieht man aber deutlich, dass auch er Spaß an der Sache hat. Das gehört einfach zum Gesamtkunstwerk Pothead. Die Backstage Halle ist sehr gut gefüllt, dem Publikum gefällt’s. Fast zwei Stunden geben die Pothead Gas, nach ganzen 39 Songs lassen sie dann die begeisterte Menge doch nach Hause gehen. Hier bekommt man wirklich noch etwas für sein Geld. Also aufgepasst, wenn die Jungs von Pothead wieder in der Stadt sind – es lohnt sich!

(Text+Bilder: Björn Engelke)


Flogging Molly – Tour Abschluss im Zenith

Datum: Montag 19.2.2018
Location: München, Zenith die Kulturhalle
Support: Val Sinestra, Sondaschule

Für den letzten Montag hatten sich die Irish-Folk-Rocker von Flogging Molly für den Abschluss Ihrer Europa-Tour im Zenith angekündigt. Besser kann eine Woche gar nicht anfangen wenn die Jungs aus L.A. das Zenith in einen Pub voller Pogo, Schweiß und guter Laune verwandeln.

 

Es lag also an Val Sinestra aus Berlin den Abend zu eröffnen. Ihr selbstkreierter Hardcore-Rock’n’Roll bietet viel Potential. Die vier Hauptstadt Jungs zeigten sich von höchst motivierten Art die einer Band mit hohen Live-Potential zu Eigen ist. Bassist Max stürzte sich schon während der ersten Songs ins Publikum und spielte dort umringt von den zahlreichen Fans. Die zwar nicht auf ihn im Speziellen gewartet haben, aber die Aktion kam gut an und wurde entsprechend mit Applaus belohnt. Bei den Letzten Songs ging Sänger Chris ebenfalls auf Tuchfühlung, auf dem Brecherstehend wurde „Verdammt Ich lieb‘ Dich“ angestimmt, im Abschluss dann eine Runde Crowdsurfing, dann war die Zeit auch um. Auch wenn mir aufgrund des im Zenith vorherrschenden typischen Sounddesasters Val Sinestra eigener Sound eher diffus blieb, die Bühnenpräsenz und Performance war auf jeden Fall ein Klasse für sich.

 

Die zweiten im Bunde waren dann Sondaschule aus Nordrhein-Westfalen. Die sechs Ska-Punker hatten 2017 den Longplayer „Schere, Stein, Papier“ veröffentlich der auf Platz 7 der Charts stieg. Ich kenne Sondaschule von einem Auftritt auf dem Taubertal Open Air 2008. Dort haben sie mich richtig überrascht mit fröhlichem Ska-punk mit herrlich selbstironischer Note. Auch heute Abend nahmen sich die Jungs nicht allzu ernst. Eine politische Botschaft gegen Faschos war dennoch obligatorisch und dann war es auch wieder gut mit den Parolen. Der Auftritt von Sondaschule war für meinen Geschmack zu kurz. Gefühlt eine halbe Stunde und vorbei war‘s. Da hätte man schon etwas mehr rausholen können und dürfen.

 

Zum Sound von Opener „There’s nothing Left Pt. 1“ Ihrer aktuellen Scheibe „Life Is Good“ betraten Flogging Molly die Bühne und wurden frenetisch empfangen. Dave King die alte Rampensau entfachte wie gewohnt die Bewegung im Volke. Irish Folk geht einfach immer, selbst wenn einem zum Heulen ist. Ein zwei drei Pints, Volume auf volle Power und ab geht die Luzi. Wie zu erwarten auch heute Abend. Von den Klassikern „Drunken Lullabies“ „Selfish Man“ oder „Devils Dancefloor“ gemischt mit Songs von der neuen Scheibe, es blieben keine Wünsche offen. Es dauerte nicht lange bis die Temperatur anstieg, der obligatorische Pit sorgte für genug Auslauf im Publikum. Die Zeit ging rum wie nix und mit „Whats left on the Flag“ wurde wie gewohnt die Zugabe eingeläutet. Nach weiteren drei Liedern war dann Schicht im Schacht. Eigentlich schade, wo man doch gerade angewärmt war. Ich werde nie verstehen warum ein Auftritt bei den meisten Bands aus den Staaten immer nur maximal eine Stunde und zehn Minuten dauert. Vom Liedgut und auch von der Laune des Publikums her wäre da noch einiges gegangen. Nichts desto trotz ist Flogging Molly wie immer ein gelungener Act und auf jeden Fall auch sein Geld wert. Die können‘s halt, die Iren.

(Text+Bilder: Björn Engelke)